Wenn in China ein Sack Reis umfällt, kann uns das heute nicht mehr egal sein. Der digitale Wandel hat unsere Welt vernetzt und globalisiert. Alles hängt mit allem zusammen, die Dinge kommen nie zur Ruhe – weltweit. Das Resultat hat einen Namen: Komplexität. Oder noch umfassender: VUCA. Was dahinter steckt, und was es für Politik, Unternehmen und das Feelgood Management bedeutet, beschreibt dieser Grundlagenartikel.
Es ist wie ein kleiner Urlaub mitten in Hamburg: Ein Elbtörn auf einer Hafenfähre. Sonne, Wasser, Möwengeschrei. Sich mal eine Stunde lang richtig den Wind um die Ohren blasen lassen – das macht den Kopf wieder frei. Spannend zu beobachten sind die Anlegemanöver. Sie sind immer ein bißchen anders. So manches Mal, wenn wir uns bis auf wenige Meter an den Anleger heranmanövriert haben, denke ich: Jetzt nur noch etwas Querstrahlruder (also der Trick mit dem seitlich einparken), und dann ist es geschafft. Doch der Schiffsführer gibt kein Querstrahlruder. Die Fähre schaukelt ein paar endlos erscheinende Sekunden vor sich hin, und dann bewegt sie sich wie von Geisterhand, ohne jede Motorunterstützung, langsam seitwärts und legt butterweich an.
Deshalb tut der Schiffsführer – nichts.
Darüber kann ich immer wieder staunen. Zwar ist es nicht immer so. Oft tut es doch das Querstrahlruder. Aber manchmal weiß oder spürt der Schiffsführer, daß es in den Tiefen des aufgewühlten Wassers irgend eine unsichtbare Unterströmung gibt, die das Schiff im richtigen Moment in die richtige Richtung treiben wird. Deshalb tut er – nichts. Würde er ungeduldig das Seitenstrahlruder zuschalten, dann würden sich diese Kräfte addieren, und wir würden den Anleger unsanft rempeln. Ja, auch das passiert gelegentlich. Man sollte sich beim Anlegen sicherheitshalber festhalten.
Das ist Komplexität: Es gibt unsichtbare Wirkkräfte im System, die sich unserer Erkenntnis entziehen. Sie bewirken, daß Veränderungen scheinbar aus dem Nichts heraus geschehen. Ohne sichtbaren Grund kommt das System heftig ins Schwingen, und genauso grundlos kommt es wieder zur Ruhe. Steuermaßnahmen, mit denen man das System beeinflussen will, fallen vielleicht zu heftig aus. Oder sie bewirken nichts. Oder sogar das Gegenteil des Beabsichtigten. Man dreht an einer Stellschraube, und ganz woanders kracht es unerwartet. Es sind eben diese unsichtbaren Wirkfaktoren, die das Verstehen, Planen und Steuern komplexer Systeme schwierig machen – eine große Herausforderung für das immer noch gängige Führungs- und Steuerinstrumentarium der „Industrie 2.0“.
Komplexe Systeme
Wenn ich abstrakt von einem System spreche – einer Anzahl zusammengehöriger Elemente, die miteinander in Beziehung stehen –, dann kann das einen Computer, eine Familie, ein Team, eine technische Anlage, eine Belegschaft, ein Unternehmen, einen Staat oder einen Staatenverbund meinen.
Soziale Systeme – also Teams, Belegschaften oder Organisationen – sind immer komplex.
Was genau ist Komplexität? Wie grenzt sie sich von Kompliziertheit ab? Es gibt verschiedene Ansätze, das zu bestimmen. Einer geht vom Systembegriff aus: Die Systemelemente, wie auch die Beziehungen zwischen ihnen, haben Eigenschaften. So haben etwa die Mitglieder eines Teams unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale, und die Beziehungen zwischen ihnen können herzlich, sachlich oder kühl sein. Solange die Eigenschaften der Elemente das Verhalten des Systems stärker bestimmen als die Eigenschaften der Beziehungen, ist das System kompliziert. Bestimmen eher die Eigenschaften der Beziehungen das Verhalten des Systems, dann ist es komplex.
Technische Systeme sind kompliziert: Mit ausreichend Expertise kann man erkennen, wie das Räderwerk funktioniert und die Einzelteile zusammenarbeiten. Computer fühlen sich zwar komplex an. Denn man weiß als Anwender nicht, was darin alles passiert, und warum die Arbeit manchmal stockt oder einfriert. Doch der Unternehmensberater und Buchautor Niels Pfläging weist darauf hin, daß technische Systeme – anders als lebendige Systeme – immer kompliziert sind, auch wenn die Kompliziertheit ein Ausmaß erreicht, daß man als Laie eben doch den Überblick verliert. Die Digitalisierung insgesamt, die nicht nur eine technische Entwicklung ist, sondern eben auch Mensch und Gesellschaft vernetzt, gilt dagegen zu Recht als einer der stärksten Treiber von Komplexität.
Soziale Systeme – also Teams, Belegschaften oder Organisationen – sind immer komplex, denn deren Systemverhalten ist stark davon bestimmt, wie die Leute miteinander umgehen. Wie sie also ihre Beziehungen gestalten. Sicher wird schon deutlich, welch entscheidende Rolle das Feelgood Management hier spielt. Und sicher wird auch das Problem von Stellenbesetzungen deutlich: Das Ringen um die Entscheidung für den richtigen Kandidaten ist deshalb oft so schwierig, weil man vor allem auf dessen Persönlichkeitsmerkmale schaut. Natürlich sollte man wissen, was er kann, und wie er drauf ist. Doch wichtiger ist die Beziehungsfrage, die nicht der Personaler, sondern nur das Team beantworten kann: Paßt er ins Team? Denn nicht die Summe der Einzelleistungen bestimmt die Teamleistung, sondern die Art der Zusammenarbeit im Team. Gelingt sie gut, dann ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.
Komplexe Projekte
Im Projektmanagement klärt man das Was und das Wie, um zu bestimmen, ob ein Projekt einfach, kompliziert oder komplex ist.
- Was soll erreicht werden? Sind die Anforderungen und das Ziel klar?
- Wie kann es erreicht werden? Ist der Weg zum Ziel bekannt?
Aus diesen beiden Dimensionen kann man eine Grafik erstellen, die nach ihrem Erfinder benannte Stacey-Matrix:

Quelle: Eigene Arbeit
- Sind das Was und das Wie klar, dann ist das Projekt einfach. Man kann auf vorhandenes Wissen zurückgreifen. Ein Projektmanagement ist hier meist nicht erforderlich.
- Sind das Was und das Wie weniger klar, dann ist das Projekt kompliziert. Für das, was unklar ist, muß man Expertenwissen hinzuziehen. Für solche Projekte eignet sich das klassische Projektmanagement.
- Sind das Was und das Wie eher unklar, dann ist das Projekt komplex. Weil so vieles unklar ist, fehlt es an entscheidendem Wissen. Das läßt sich durch agiles Vorgehen generieren: Versuch und Irrtum – also Schritt für Schritt immer wieder Ausprobieren und das weitere Handeln von den Resultaten abhängig machen. Hier ist agiles Projektmanagement angesagt.
- Sind das Was und das Wie fast völlig unklar, dann befindet man sich im Bereich des Chaotischen. Hier kann man nur aufs Geratewohl handeln, um nach Möglichkeit erst mal irgendwie den Bereich des Komplexen zu erreichen.
Komplexität heißt auch hier: Wesentliches ist unbekannt, weswegen klassisches Planen und Steuern nicht möglich ist. Man kann kaum auf Bekanntes zurückgreifen. Man kann sich nur den Weg bahnen durch kleine Schritte mit kurzen Feedbackschleifen und ständigem Nachjustieren – also durch agiles Vorgehen. Es gilt, völlig neues Wissen zu generieren. Darauf haben uns Schule und Studium nicht vorbereitet: Es gab immer nur bereits vorhandenes Wissen zu lernen.
Von Korrelationen und Kausalitäten
Warum ist das mit der Komplexität so schwierig für den Menschen? Zum einen, weil wir es heute nicht mehr gewohnt sind: Die Industriegesellschaft, insbesondere die Taylorisierung der Arbeit, hat die ursprüngliche Komplexität und Unsicherheit des Lebens reduziert. Von der Unternehmensorganisation über die Produktionsprozesse bis zu den Märkten war von nun an alles geordnet und standardisiert, so daß Entscheidungen einfach und Methoden übertragbar waren. Mit dem Anbruch der Informationsgesellschaft steigt die Komplexität wieder. Das erläutert der schon genannte Unternehmensberater Niels Pfläging in seinem Buch „Organisation für Komplexität“. Er spricht anschaulich von der „Taylor-Wanne“ der Komplexität. Deutlich wird, wie sehr es heute darauf ankommt, den Menschen im Wertschöpfungsprozeß zu stärken.

Quelle: Niels Pfläging, Slideshare.net, Folie 16, mit freundlicher Genehmigung
Der andere Grund, warum der Mensch sich mit der Komplexität so schwer tut, liegt in der menschlichen Wahrnehmung. Sie ist nämlich lückenhaft, denn ein Großteil des durch die Sinnesorgane Erfaßten geht verloren, weil das Bewußtsein nur eine sehr begrenzte Verarbeitungskapazität hat. Diese Wahrnehmungslücken füllt das Gehirn jedoch automatisch und unbewußt mit eigener Interpretation – und zwar so geschmeidig, daß wir auch das Selbstinterpretierte für die Wirklichkeit halten. Wir haben für das Beobachtete gleich auch die Erklärung mit „drin“ – aber die kann ein Trugschluß sein.
So schnell kommt ein Fehlschluß zustande…
Beispiel: Wenig Störche – wenig Babys. Viele Störche – viele Babys. Das ist wissenschaftlich ausgedrückt eine Korrelation: Zwei Größen entwickeln sich gleichlaufend. Wenn es also viele Störche gibt, dann … aber halt! Mit diesem Wenn-dann-Satz bin ich schon dabei, einen Kausalzusammenhang zu beschreiben, also einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Ich erkläre damit die steigende Zahl der Störche zur Ursache für die steigende Zahl der Babys (was gleich noch ein Fehler sein kann, denn es könnte ja genauso gut sein, daß die Babys die Störche bringen). So schnell also kommen Fehlschlüsse zustande – einfach weil unsere Sprache (und damit unser interpretierendes Denken) kaum ein anderes Mittel hat, den Gleichlauf zweier Größen zu beschreiben. Schon ist ein Zusammenhang in die Wahrnehmung hineininterpretiert, ob er nun stimmt oder nicht. Man spricht in diesem Fall von Scheinkorrelationen, oder präziser Scheinkausalitäten, die zu Scheinwissen führen.
Solche Zusammenhänge herstellen zu können, ist durchaus sinnvoll: Wenn ich etwas Verdorbenes esse, dann bekomme ich Bauchschmerzen. Das hilft mir im praktischen Leben. Doch in komplexen Systemen – etwa in einem Unternehmen oder in der Politik – führt das leicht zu Fehlschlüssen. Und damit zu teuren Fehlern. Hierher gehört beispielsweise auch die anhaltende wissenschaftliche Diskussion um den Klimawandel: Mehr CO2 – mehr Erwärmung. Das klingt nach einer Korrelation. Aber ist es auch eine Kausalität? Und wenn ja, was ist die Ursache, was die Wirkung? Das zu klären, ist auch für gestandene Wissenschaftler nicht ganz einfach, denn empirische Wissenschaft kommt nicht ohne Interpretation aus. Wir sollten sicher sein, daß wir weder an Symptomen kurieren, noch ins Leere handeln, noch unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, wenn wir eine Energiewende anpacken, die uns am Ende 1.000 Milliarden Euro kosten wird.
Von Nichtlinearitäten, Multikausalitäten und Zeitversätzen
Um es noch komplexer zu machen: Kausalzusammenhänge sind meist nichtlinear. Das heißt: Die Wirkung nimmt nicht in dem Maß zu, wie die Ursache zunimmt. In einem Ursache-Wirkungs-Diagramm entsteht dann nicht eine gerade Linie, sondern die eine oder andere Kurve. Da gibt es Sättigungseffekte, Optima und dergleichen. „Mehr Ursache“ zu geben, bringt dann nicht immer „mehr Wirkung“. Versuche, komplexe Systeme zu steuern, erreichen deshalb manchmal nichts, manchmal das Gegenteil des Beabsichtigten, manchmal schießen sie weit übers Ziel hinaus. Viel hilft nicht immer viel. Das Maximum ist selten das Optimum. Solche Nichtlinearitäten zu erkennen, liegt nicht in der menschlichen Intuition. Man muß schon bewußt hinschauen, oft sogar forschen, und immer agil handeln – also in kleinen Schritten und abhängig von der Systemreaktion ständig nachjustierend.

Quelle: Eigene Arbeit
Der Schwierigkeitsgrad steigt noch, wenn wir davon ausgehen, daß Wirkungen selten eine einzige Ursache haben. In der Regel wirken mehrere oder viele Ursachen, die ihrerseits noch miteinander nichtlinear interagieren und sich gegenseitig verstärken oder abschwächen. Man spricht von Multikausalität. Viele dieser Wirkmechanismen sind von außen entweder nicht sichtbar oder nicht verstehbar. Planung und Steuerung kann das alles nicht berücksichtigen: Man handelt weitgehend im Blindflug.
Planung und Steuerung kann das alles nicht berücksichtigen: Man handelt im Blindflug.
Und noch mehr: Die Systemantwort auf einen Steuerungsimpuls kommt in der Regel nicht sofort, sondern zeitversetzt. Das können wenige Sekunden sein, wie beim Elbschippern. Es kann aber auch Jahre dauern: Der Unternehmensberater Frank Buckler schreibt in seinem E-Book „Das Ende der Kennzahl-Illusion“ davon, wie komplex die Wirkung von Werbung ist. Wolle ein Autohersteller die Wirkung einer Werbekampagne untersuchen, dann könne er nicht einfach auf die Verkaufszahlen schauen. Denn der Kunde brauche ja nur durchschnittlich alle sechs Jahre ein neues Auto – ob die Werbung wirksam war, könne man zumindest anhand der Kennzahl Abverkauf deshalb erst nach sechs Jahren wissen. Ob diese Information dann noch etwas nützt, sei dahingestellt.
Damit immer noch nicht genug: Unsere Welt wird nicht nur komplexer, sondern auch volatiler, unsicherer und widersprüchlicher. Das alles steckt – zusammen mit der Komplexität – im Akronym VUCA. Es ist die Zusammenziehung von volatility (Unbeständigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Vieldeutigkeit). Entstanden ist das Akronym nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges. War die Welt bis dahin übersichtlich in „wir“ und „die“ geteilt, so bemerkte man nun, daß es weltweit vielerlei unterschiedliche und ständig wechselnde Interessen gab: Wer sind die Guten, wer die Bösen? Mit wem kann man Allianzen schmieden? Vor wem sollte man sich hüten? Politisch wurde nun alles ziemlich unübersichtlich.
Mit Komplexität umgehen
So lauteten denn auch die ersten Medieneinschätzungen nach der Europawahl: Es sei „unübersichtlich“. Die Politik hat es seit langem mit zunehmender Komplexität zu tun, wird ihr aber bisher nicht gerecht. Das kann man ihr nicht mal vorwerfen, denn das Volk erwartet von ihr einfache Botschaften. Sie müssen aufs Wahlplakat passen, oder in jene 8 Sekunden O-Ton, die der menschlichen Aufmerksamksamkeitsspanne entsprechen. Doch selbst wenn sie die Komplexität unserer Welt zu sehen vermag – sie handelt traditionell unterkomplex: Sie erläßt nämlich Gesetze. Damit ist der Beschluß „in Stein gemeißelt“, und man hält gewöhnlich auch noch daran fest, wenn sich herausstellt, daß es nicht funktioniert. Das ist das Gegenteil von agil. Wenn es schief geht und teuer wird, kann die Politik Steuern erhöhen oder Schulden machen. Unternehmen aber müssen sich der Komplexität stellen, denn für sie geht es um die Existenz.
Doch das ist nicht einfach: Wer sich verunsichert fühlt, tut sich mit Entscheidungen schwer. Man versucht, immer mehr Informationen zu bekommen, um sich abzusichern, und verzettelt sich dabei in den Details. Doch die Informationsflut hilft nicht weiter. Im Gegenteil: Zu viele Details machen die Entscheidung schwieriger. Man braucht den großen Überblick, der den Details ihren Platz und ihren Sinn gibt. Wer sich verirrt hat und den Weg sucht, wird nicht alle Details seiner Umgebung untersuchen, sondern eine Karte oder ein Navi zur Hilfe nehmen – also in die Vogelperspektive wechseln, um das große, orientierunggebende Muster zu sehen. Statt mit einer unüberschaubaren Flut von Einzelinformationen hat man es dann mit einem Muster zu tun.

Quelle: Wikipedia, Stichwort Ishihara-Tafel, gemeinfrei (links ein Ausschnitt)
Eine andere Versuchung angesichts von Unsicherheit liegt darin, an Bekanntem und Gewohntem festzuhalten – an dem, was man gelernt hat, und was bisher immer funktionierte. Doch unterkomplexes Denken und unterkomplexes Handeln funktioniert in einer komplexen Welt eben nicht mehr. Der Unternehmensberater Fredmund Malik rät, Komplexität nicht als einen Feind, sondern als eine Ressource zu sehen. Sie also nicht zu bekämpfen, sondern sich ihr zu stellen. Gerade im Gefühl der Unsicherheit und mit dem Bedürfnis nach Rückzug erfordert das Offenheit für Neues. Es gilt, neue Wege auszuprobieren. Das geht nur tastend, mit Versuch und Irrtum, eben agil.
Es gilt, neue Wege auszuprobieren.
Jemand verglich den Sprung in die Komplexität mit dem Übergang von der Küstenschiffahrt zur ozeanischen Seefahrt im 15. Jahrhundert. Konnte man sich anfangs noch an Küstenverläufen und Leuchtfeuern orientieren, so brauchte man nun eine völlig neue Art des Navigierens. Als Antwort auf VUCA gilt – VUCA. Nun jedoch als Akronym aus den Begriffen vision, understanding, clarity und agility. Mir ist das aber noch zu vieldeutig – nicht gut für den Umgang mit einer vieldeutigen Welt. Allein der englische Begriff vision kann Sehkraft, Weitblick oder eben Vision heißen. Im Deutschen klingt Vision nach Zukunftsentwurf, Traumbild oder Einbildung. Was ist gemeint? Bodenständiger erscheint mir das Akronym, das ich als Leitlinie fürs Feelgood Management kenne: VOPA – Vernetzung, Offenheit, Partizipation, Agilität.
Was Feelgood Management tun kann
Komplexität heißt: Man hat nicht mehr den vollständigen Überblick über das System. Bestimmte Wirkkräfte bleiben verborgen. Planen und Steuern geschieht teilweise im Blindflug. Das führt zu unerwarteten und unerwünschten Ergebnissen. Der notwendige Wandel ist gewaltig – viel mehr als dessen äußerste Schale, die wir als digitalen Wandel bezeichnen. Er ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung für Führungskräfte wie Mitarbeiter: Es gilt, Vertrautes zu verlassen und Neuland zu beschreiten – oft gegen Intuition und unmittelbare Einsicht.
Der Feelgood Manager, der nicht selbst ins Tagesgeschäft eingebunden ist, kann solch einen Wandel auf menschlicher Ebene begleiten. Er kann Ermutigung geben, Menschen ins Gespräch miteinander bringen und vernetzen, Stimmungen, Befindlichkeiten, Bedürfnisse, Ideen und Informationen aufgreifen und weitervermitteln. Er ist der menschliche Ruhepol und Orientierungspunkt im Sturm des Wandels. Als eine Vertrauensperson im Unternehmen kann er zur Keimzelle von Vertrauen werden. Denn Vertrauen ist der Kern des Wandels. Ohne Vertrauen geht es nicht. Und: Vertrauen gilt als das wirksamste Mittel, Komplexität zu reduzieren.
Ist das alles nicht zu sehr idealisiert? Vielleicht. Doch mein Ziel ist ja, Feelgood Management weiterzudenken. Vieles von dem, was ich hier beschreibe, tue ich bereits als Coach: Ich ermutige Menschen, Unsicherheit zu überwinden, Wandel anzugehen und Neuland zu erobern. Es funktioniert, und es läßt sich auch in größere Zusammenhänge hinein skalieren. Mein weitergedachtes Bild vom Feelgood Manager ist nicht das eines Machers und Organisators, sondern das eines Begleiters und Impulsgebers, eines Ermutigers und Ermöglichers. Mir ist bewußt, daß das anders ist als das, was man sonst in Unternehmen tut. Auch hier braucht es ein Umdenken, das ebenfalls zum Teil des großen Wandels wird.
Literatur
Pfläging, Niels, 2015: Organisation für Komplexität. Wie Arbeit wieder lebendig wird, und Höchstleistungen entstehen. Redline Verlag, München, 3. Auflage.